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Einfach Informatik
Über die Informatik und ihr Image
Prof. Dr. Juraj Hromkovič, Mitbegründer der zyklusübergreifenden Reihe «Einfach Informatik», wird an der ETH Zürich Anfang nächsten Jahres emeritiert. Sein Nachfolger Prof. Dr. Dennis Komm übernimmt – auch bei der Zusammenarbeit mit dem Klett und Balmer Verlag.
- Veröffentlicht:17.05.2023
- Autorin:Pamela Nussbaumer
- Bild:Louis Rafael Rosenthal
Ehre, wem Ehre gebührt: Neben der aktiven Forschung auf verschiedenen Gebieten der theoretischen Informatik liegt ein Schwerpunkt der Arbeit von Prof. Dr. Juraj Hromkovič in der Vermittlung von Grundlagen der Informatik an Schülerinnen und Schüler. Dabei hat er sich erfolgreich der grossen Aufgabe angenommen, ein Informatiklehrwerk für sämtliche Schulstufen zu entwickeln. Wir besuchen ihn und Prof. Dr. Dennis Komm, mit dem er seit vielen Jahren zusammenarbeitet, an ihrem Wirkungsort an der ETH in Zürich. Der Empfang ist herzlich, laden die beiden uns doch gleich zu einem gemeinsamen Mittagessen ein. Beim anschliessenden Interview sprechen wir über die Bedeutung der Informatik und deren Image, das nach ihrem Geschmack durchaus besser sein könnte.
Warum ist Informatik auch für die Kleinen im Kindergarten schon so wichtig?
Hromkovič: Weil man heutzutage die Welt, wie wir sie erschaffen haben, ohne Informatik nicht verstehen kann. Ohne Informatik gibt es kein Verständnis für die Welt. Informatik entwickelte sich im Spannungsfeld zwischen Sprache und Mathematik. Ich mache jeweils gerne diesen kurzen Exkurs: Vor ein paar Tausend Jahren waren Verwaltungsgründe der Auslöser für die Entstehung einer Schriftsprache. Die Datenverwaltung der alten Reiche war eine rein informatische Aufgabe und der Anfang der digitalen Revolution. Man schaffte es zum ersten Mal, Informationen langfristig ausserhalb des menschlichen Gehirns abzuspeichern. Digitale Daten sind nichts anderes als die Darstellung von Informationen durch eine Folge von Symbolen eines Alphabets. Aber zurück zur heutigen Informatik: Es geht darum, dass die Kinder ihr Potenzial entwickeln können, besonders dort, wo man Menschen nicht einfach durch Technologie ersetzen kann. Guter Informatikunterricht fördert Fantasie, Kreativität und Gestaltung. Und es geht nicht nur darum, wie man mit einem Computer umgeht!
Ist Informatik in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger geworden?
Hromkovič: Unsere Gesellschaft entwickelt sich sehr schnell und das ist auch eine Folge der fortschreitenden Automatisierung. Wiederum haben wir heute keine Ahnung, wie unsere Berufswelt in zwanzig Jahren aussehen wird. Wir wissen nur, dass alles, was wir verstanden haben, automatisiert wird. Wenn sich die Menschen in diesen Automatisierungsprozessen nicht auskennen, werden sie es nicht schaffen, sich in den eigenen Berufen durchzusetzen. Vor Kurzem war ich in einer Fräserei zu Besuch: Dort wird ein Programm auf die Maschine geschrieben und diese erledigt dann die eigentliche Fräsarbeit, die Mitarbeitenden verfeinern nur noch, falls überhaupt nötig. Das wird in Zukunft fast überall so sein.
Komm: Ein anderes Beispiel ist der Studiengang für Humanmedizin an der ETH. Gerade in der Forschung wird man in der Medizin mehr und mehr mit Informatikerinnen und Informatikern in interdisziplinären Teams zusammenarbeiten. Dafür muss man deren Sprache verstehen, zumindest in den Grundsätzen. Bildgebende Verfahren oder Diagnostik sind heute hochgradig automatisiert.
Was bedeutet Ihnen, Professor Hromkovič, die stufenübergreifende Informatikreihe, und haben Sie eine Lieblingsstufe?
Hromkovič: Es war ein Traum von mir, den Informatikunterricht vom Kindergarten bis zur Matura zu gestalten, und dann habe ich diese Idee in Zusammenarbeit mit dem Klett und Balmer Verlag umgesetzt. Es war ein langer Weg und viel Arbeit: Innerhalb von sieben Jahren haben wir die ganze Reihe realisiert. Am dankbarsten ist das Unterrichten mit den Kleinsten, weil es einfach ein Vergnügen ist. In der Primarschule sind die Kinder am begeisterungsfähigsten. Und wenn man tiefgreifende Konzepte behandeln möchte, ist das Gymnasium der richtige Ort dafür. Ich unterrichte auf allen Stufen gerne.
Medien und Informatik gehören im Lehrplan 21 zusammen. Medien scheint dabei das beliebtere Fach zu sein. Warum?
Komm: Das Bild, das von der Informatik existiert, ist teilweise falsch. Natürlich ist es nicht attraktiv, wenn man den Eindruck hat, Informatiker arbeiten im stillen Kämmerlein allein vor sich hin. Wir haben noch immer ein Image- und Klischeeproblem. Dabei gibt es so viele Lernende, die hervorragende Informatikerinnen und Informatiker wären, sie wissen es nur nicht. Sie trauen sich nicht richtig an die Materie heran, vielleicht auch, weil ihnen entsprechende Vorbilder fehlen.
CAS «Informatik und Informatikdidaktik»
Prof. Dr. Dennis Komm hat die Lehrgangsleitung für den CAS «Informatik und Informatikdidaktik» an der PH Graubünden inne. Der Lehrgang zeigt auf, wie bei Lernenden der Erfindergeist und die Begeisterung für Informatik geweckt und wie gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern die Informatik als systematisches und kreatives Lösen von Problemen verstanden werden kann. Wer über ein Lehrdiplom der Primarstufe oder der Sekundarstufe I verfügt und Interesse an der Thematik mitbringt, kann sich noch bis und mit 30. Juni 2023 anmelden.
Hromkovič: Die Informatik hat nach wie vor den Ruf, ein schwieriges Fach zu sein. Viele Lehrpersonen haben Angst, dass sie ihre Klasse damit überfordern. Mit den Medien hingegen kommen sie zurecht. Wir müssen diese Schwelle überwinden und erreichen, dass Lehrpersonen es sich zutrauen, Informatik spannend und mit Freude zu unterrichten. Ich versuche, dies mit guten Lehrmitteln positiv zu beeinflussen. Wir müssen dafür sorgen, dass die Gesellschaft ihre Beziehung zur Informatik verändert.
Welche Ziele haben Sie für die kommenden Jahre, Professor Komm?
Komm: Es gibt nach wie vor einiges zu tun, obwohl in den letzten zwanzig Jahren viel passiert ist. In der Schweiz sind wir grundsätzlich in einer wunderbaren Situation, das muss ich wirklich sagen. Wenn ich mir die Lehrpläne anschaue, dann haben die Lehrpersonen den Auftrag, Informatik vom Kindergarten bis in die gymnasiale Oberstufe zu unterrichten. Das ist eine grossartige Entwicklung. Aktuell gibt es allerdings sehr viele Lehrpersonen, die in ihrer eigenen Schulzeit keinen Informatikunterricht hatten. Daher tun sie sich oftmals schwer damit, das ist nicht ihre Schuld. Hier ist es an uns, sie durch Lehrmittel, Weiterbildungsprogramme und Beispielunterricht zu unterstützen. Ich denke, da sind wir auf dem richtigen Weg, und blicke somit vorsichtig optimistisch in die Zukunft!
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