- Deutsch
- Sekundarstufe II & Erwachsenenbildung
Deutsch als Zweitsprache
«Das Ankommen erleichtern»
Beim Projekt «lolingu4free» erteilen angehende und erfahrene Lehrpersonen Geflüchteten ehrenamtlich Online-Einzelunterricht in Deutsch. PH-Dozentin Mirjam Wolfangel macht seit bald einem Jahr mit – und profitiert selbst davon.
- Veröffentlicht:17.05.2023
- Autorin:Theresia Schneider
- Bild:zVg
Nachdem sie an der PH Zürich ein Seminar gegeben hat, ist Mirjam Wolfangel, Dozentin für Deutschdidaktik, wieder zuhause. Sie öffnet am Computer die Digital Books von «Deutsch in der Schweiz» und Skype: Dort trifft sie wie fast jeden Donnerstagnachmittag Iryna zum Deutschunterricht. Die Ukrainerin ist nach Kriegsausbruch mit ihrem Kind in die Schweiz gekommen. Dieser Austausch passiert im Rahmen des Projekts «lolingu4free», das Geflüchteten kostenlosen Online-Sprachunterricht bietet. Freiwillige von mehreren pädagogischen Hochschulen – Dozierende und Studierende wie auch Pensionierte – stellen dafür ihre Zeit sowie ihre Sprach- und Unterrichtskompetenz zur Verfügung.
Dem Schock etwas entgegensetzen
Ursprünglich als Soforthilfe für Menschen aus der Ukraine lanciert, steht das Angebot mittlerweile allen in die Schweiz Geflüchteten offen, als Ergänzung zu regulären Sprachkursen. Als eine Arbeitskollegin das Projekt zusammen mit anderen pädagogischen Hochschulen und den Betreibern der Sprachlernplattform lolingu.com ins Rollen brachte, war Mirjam Wolfangel auf Anhieb dabei: «Da tat sich ein Weg auf, dem Schock über den Krieg etwas entgegenzusetzen.» Zugleich ist es für sie eine interessante Gelegenheit, im Bereich Deutsch als Zweitsprache Erfahrungen zu sammeln. «Zwar denken wir an der PH bei den Modulen für regulären Deutschunterricht das DaZ-Thema zunehmend mit, denn in praktisch jeder Sekundarklasse sitzen Jugendliche, deren Muttersprache nicht Deutsch ist. Darüber hinaus hatte ich aber noch nicht explizit DaZ-Unterricht erteilt.» Mirjam Wolfangel registrierte sich auf der Plattform und stiess auf das Profil von Iryna. Fast gleichzeitig wurde sie selbst von Alexander angeschrieben, der mit seiner Familie ebenfalls aus der Ukraine in die Schweiz geflüchtet ist. «Beide waren perfekte Matches, wie sich zeigen sollte», freut sie sich ein knappes Jahr später.
Jetzt «Deutsch in der Schweiz» – und ab 2024 «Grüezi – guten Tag»
Seit vielen Jahren lernen Erwachsene mit «Deutsch in der Schweiz» nachhaltig Deutsch. Nachdem das Lehrwerk mehrfach aktualisiert sowie digitalisiert worden ist, arbeiten wir nun an einem neuen DaZ-Lehrwerk für Erwachsene. Es heisst «Grüezi – guten Tag» und hat sich ebenfalls dem Ziel verschrieben, die Lernenden massgeblich bei der gesellschaftlichen und beruflichen Integration in der Schweiz zu unterstützen. Das Lehrwerk berücksichtigt Schriftsprache und Mundart, thematisiert Situationen aus dem privaten und öffentlichen Alltag sowie aus der Arbeitswelt. Dabei werden die Biografie, der schulische Hintergrund und eigene Erfahrungen der Lernenden beachtet. «Grüezi – guten Tag» bezieht die fide-Handlungsfelder mit ein und ist so konzipiert, dass es sich auch für den Online-Unterricht sowie für hybride Unterrichtsformen eignet. Der erste Band für das Niveau A1.1 erscheint im Sommer 2024.
Dankbar für «Deutsch in der Schweiz»
Sowohl die IT-Fachfrau Iryna wie der Wissenschaftler Alexander sprechen gut Englisch. «Darauf habe ich geachtet – wegen der erwähnten fehlenden DaZ-Erfahrung und weil es die Verständigung generell vereinfacht», so Mirjam Wolfangel. Sie verpflichtete sich bei beiden für die zehn Lektionen Einzelunterricht, die «lolingu4free» zunächst vorsieht. Mit zwei Lektionen pro Woche war die Kapazität neben Beruf und Familie ausgeschöpft. Dieser Weg hat sich bewährt, mit beiden hat sie die Zusammenarbeit bereits mehrfach verlängert.
Die theoretisch 45 Minuten dauernden Lektionen haben sie auf eine Stunde ausgeweitet. Zuerst tauscht man sich auf Englisch aus. Manchmal stellen Iryna und Alexander konkrete Fragen zu Situationen, die sie erlebt haben oder die anstehen. Danach beginnt der Unterricht mit «Deutsch in der Schweiz».
Der Klett und Balmer Verlag hat den pädagogischen Hochschulen Lizenzen der Digital Books gespendet, um die Arbeit der Ehrenamtlichen zu unterstützen. Dafür ist Mirjam Wolfangel dankbar: «Das Lehrwerk nimmt sowohl mich wie die Lernenden bei der Hand», sagt sie. «Dabei bleiben wir flexibel. Als Alexander zum Beispiel die Fasnacht besuchte, fanden wir unter ‹Feste und Feiertage› das entsprechende Vokabular. Der Schweiz-Bezug der Themen – auch die Mundarten betreffend – ist super.» Neben Abstechern aufgrund individueller Bedürfnisse bleibt das Lehrmittel der rote Faden, an dem sich die DaZ-Quereinsteigerin mit wenig Vorbereitungsaufwand orientieren kann. «Wir gehen Schritt für Schritt durch die Einheiten, zumal beide ein Zertifikat erwerben möchten.»
«Deutsch in der Schweiz» ist zwar digital erhältlich, aber eigentlich nicht für den Online-Einzelunterricht konzipiert, sondern für Gruppenunterricht. Bereitet das Probleme? Mirjam Wolfangel: «Nein. Das hat unter anderem sicher damit zu tun, dass Iryna und Alexander sehr bildungsnah sind. Wäre das nicht so, hätte ich ihnen vermutlich die gedruckten Lehrwerksteile zugeschickt, und wir würden damit arbeiten. So reicht es, dass ich ihnen die Arbeitsblätter maile, und sie benötigen nur die Hefte zu Wortschatz und Grammatik in gedruckter Form.»
Eine persönliche Bereicherung
Es wird klar: «Deutsch in der Schweiz» begeistert die Didaktikerin. Dass nicht mehr alle Inhalte ganz aktuell sind – es entsteht derzeit eine Neuausgabe, siehe Kasten –, tut der Unterrichtsqualität keinen Abbruch. So fand sie es etwa amüsant, auf ein älteres Foto vom Oerlikoner Marktplatz zu treffen, und machte das gleich zum Thema. Aber sie ist gespannt auf das Erscheinen von «Grüezi – guten Tag».
Von ihrem Engagement ist Mirjam Wolfangel ebenfalls weiterhin überzeugt. Iryna wie Alexander haben inzwischen eine Arbeit und auch sonst Anschluss gefunden in der Schweiz. Beide stellen sich darauf ein, zunächst hierzubleiben. «Durch den Einblick in ihr Leben werden die Medienberichte konkret. Ihnen das Ankommen etwas erleichtern zu können, erlebe ich als sehr befriedigend. Es ist in jeder Hinsicht eine persönliche Bereicherung. Dass mein Englisch aufgefrischt wird, weil wir immer mal wieder auf diese Sprache ausweichen, ist dabei nur noch ein weiterer positiver Nebeneffekt!»
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